
„Die Hauptaufgabe für Philosophen ist, ihre Sprache menschlicher zu machen, zugänglicher; dann bekommen die Gedanken mehr Leuchtkraft und werden noch interessanter. Ich denke, sie kommen langsam dahinter. Einfachheit ist der Schlüssel.“
Tagebuchnotiz vom 9. Dezember 1991[1]
Einleitung
Am 16. August 2020 wäre Charles Bukowski 100 Jahre alt geworden. Mit seinen Romanen, Short Stories, Briefen und Gedichten gehört er bis heute zu den meistgelesenen und umstrittensten US-Schriftstellern überhaupt. Den einen gilt er als genialer Vereinfacher, der in unverstellter Weise die Abgründe des amerikanischen Albtraums auch solchen Lesern näherbringt, die sich sonst niemals freiwillig mit Literatur beschäftigen würden. Für die anderen hingegen ist er der Prototyp eines sexistischen Proleten, dessen drastische und obszöne Schilderungen nur die schmutzigen Fantasien alter, weißer Männer befriedigen. Beide Einschätzungen sind durchaus zutreffend, übersehen jedoch die Tiefendimension in Bukowskis vielschichtigem Werk, in dem hinter der Fassade aus Selbstgerechtigkeit und Menschenverachtung immer auch das Mitgefühl mit den Erniedrigten und die Sehnsucht nach Liebe und Freiheit aufscheinen. Wer sich unbefangen auf (s)eine Welt voller Alkohol, Gewalt, Sex und Wahnsinn einlässt, begegnet einem sensiblen und witzigen Beobachter gescheiterter Existenzen, der sich mit geradezu verbissener Konsequenz an den eigenen Schattenseiten abarbeitet, um zu einer kompromisslosen Stufe der Selbsterkenntnis zu gelangen.
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