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„Der Philosoph soll derjenige sein, der sagt, was alle wissen;
manchmal aber ist er der, der weiß, was alle nur sagen.“[1]
Einleitung
Im Jahr 2018 werden bekanntlich einige Jubiläen begangen, die von großer symbolischer Bedeutung für die Entwicklung der Moderne sind: Am 5. Mai vor 200 Jahren wurde in Trier der Philosoph und Ökonom Karl Marx (1818 – 1883) geboren, der mit seinen Ideen die Welt nicht nur interpretieren, sondern verändern wollte – was ihm ohne Zweifel auch gelungen ist. Ein anderer großer Ausleger modernen Lebens starb vor 100 Jahren: der Philosoph und Soziologe Georg Simmel (1858 – 1918).
Gemeinhin der diffusen Strömung der sogenannten ‘Lebensphilosophie’ zugerechnet, zeichnet sich sein Œevre vor allem dadurch aus, dass es trotz der Vielfalt an Texten und Themen beinahe vollständig als Inspiration späterer Interpreten absorbiert worden ist. Dabei wird die Eigenständigkeit seines Gegenentwurfs zur marxistisch-ökonomischen Auslegung sozialer Phänomene leider meist übersehen. Denn dieser besteht gerade nicht darin, der zunehmenden Entfremdung eine irrationale Unmittelbarkeit entgegenzusetzen, sondern die Differenzierung dem Leben als ureigenes Prinzip einzuschreiben, durch das es sowohl über sich hinauswächst als auch wieder auf sich selbst zurückkommt.
Die viel beschworene ‘Simmel-Renaissance’, die seit einigen Jahren jeder neuen Publikation über den Philosophen und Soziologen als Aufruf oder Ankündigung zu entnehmen ist, scheint – von der Berechtigung derartiger Statements einmal abgesehen – entweder noch nicht oder lediglich in Gestalt des Zugeständnisses einer Initiierungsfunktion für einzelne Theoreme, insbesondere für die soziologische Forschung, stattgefunden zu haben.[2] Es ist hingegen das Ziel dieses Beitrags, in wenigen Strichen herauszuarbeiten, was Simmel in philosophischer Hinsicht charakterisiert und was wir heute noch von ihm lernen können. Zu diesem Zweck soll sein frühes systematisches Hauptwerk ‘Philosophie des Geldes’ die folgende Betrachtung leiten.[3]
Eine philosophische Bedeutung Simmels für uns Heutige kann neben den einzelnen Kostbarkeiten und Geistesblitzen seiner Essays und Gedankensprünge besonders in der Einheit des Werkes und seines Autors gesucht werden: das Geld und das Leben – zwei scheinbare Banalitäten in die Höhe philosophischer Reflexion erhoben –; die ‘Philosophie des Geldes’ aus dem Jahre 1900 und die ‘Lebensanschauung’ von 1918 rahmen sein nach akademischen Maßstäben wenig erfolgreiches Schaffen.[4] Das eine, zusammen mit Edmund Husserls ‘Logischen Untersuchungen’ und Sigmund Freuds ‘Traumdeutung’, auch den geistigen Umbruch zum 20. Jahrhundert markierend, das andere als literarisches Testament bereits den Hintergrund der Ablösung des Lebensbegriffes durch den der Existenz in der Philosophie der folgenden Dezennien beleuchtend. Und auch sein eigenes Leben beschließt Simmel mit der Metapher des Geldes, indem er seine Rezeptionsgeschichte vorausahnt: „Meine Hinterlassenschaft ist wie eine in barem Gelde, das an viele Erben verteilt wird, und jeder setzt sein Teil in irgendeinen Erwerb um, der seiner Natur entspricht: dem die Provenienz aus jener Hinterlassenschaft nicht anzusehen ist.“[5]
Nach einer durch die Erfahrung der Weltkriege und des Dritten Reiches geprägten Verdrängung der Lebensphilosophie und ihrer ideologischen und methodologischen Sublimierung in Kritischer Theorie und Hermeneutischer Phänomenologie ist es einer unbefangeneren Wiederentdeckung devianter Denkströmungen zu verdanken, dass neben Dilthey, Klages und Spengler vor allem Georg Simmel als Gegenstand einer inhaltlichen Auseinandersetzung anerkannt wird.
Die mit dem Fortgang der Simmel-Gesamtausgabe einhergehende, wiederum vorwiegend soziologisch orientierte, aktuelle Rezeption seines Werkes wendet sich neben der Untersuchung von Einzelaspekten auch gerade Simmels Theorie der Moderne zu, die für eine einheitliche Betrachtungsweise seines Denkens stehen mag und zeitgemäß auch der Diskussion um die Postmoderne einverleibt wird.[6] In diesem Zusammenhang tritt das lange wenig beachtete frühe Hauptwerk ‘Philosophie des Geldes’ wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.[7]
Simmels Philosophie soll hier anhand dreier Theoreme rekonstruiert werden, die sich innerhalb seines Gesamtwerkes durchhalten und die mögliche Aktualität seines Entwurfes illustrieren. Zunächst geht es um die Herausarbeitung einer Theorie der Lebensformen (I), die das grundlegende Schema seines lebensphilosophischen Weges liefert; anschließend erfolgt eine Darstellung des damit eng verbundenen Theorems der Wechselwirkung (II), das sowohl im Sinne eines ontologischen als auch eines methodologischen Prinzips zu verstehen ist. Schließlich ist sich unter den Stichworten Konflikt und Tragödie (III) seiner Kulturphilosophie zuzuwenden, die die Dialektik der wechselnden Lebensformen in der Moderne zum Anlass nimmt, eine mehr deskriptive denn pessimistische Deutung zu versuchen.
Bereits in seiner „unvollendeten Selbstdarstellung“ interpretiert Simmel die Vielfalt und Entwicklungslinie seiner eigenen Arbeiten im Sinne eines einheitlichen Weltbildes, das die Bedeutung der Form-Inhalt-Dialektik und des Prinzips der Wechselwirkung für die Ablösung der Ontologie einer abstrakten Substanz durch die des Lebens aufzeigt, ohne das Gespür für die Konsequenzen dieser spätestens mit Nietzsche, Dilthey und Bergson offenkundig werdenden Transformation der Philosophie außer Acht zu lassen:
„Die zeitgeschichtliche Auflösung alles Substantiellen, Absoluten, Ewigen in den Fluß der Dinge, in die historische Wandelbarkeit, in die nur psychologische Wirklichkeit scheint mir dann vor einem haltlosen Subjektivismus und Skeptizismus gesichert, wenn man an die Stelle jener substantiell festen Werte die lebendige Wechselwirksamkeit von Elementen setzt, welche letzteren wieder der gleichen Auflösung ins Unendliche hin unterliegen.“[8]
In deutlicher Distanz zur Ökonomie will die Philosophie des Geldes zunächst die Voraussetzungen seines Sinnes und seiner Stellung „in der seelischen Verfassung, in den sozialen Beziehungen, in der logischen Struktur der Wirklichkeiten und der Werte“ (PhG 10) bestimmen – nicht historisch, sondern erkenntnistheoretisch in Reflexion auf lebensweltliche Phänomene. Darüber hinaus behandelt Simmel die Vielzahl der Rückwirkungen des Geldes auf das Subjekt in seinem Kontext: „auf das Lebensgefühl der Individuen, auf die Verkettung ihrer Schicksale, auf die allgemeine Kultur“ (ebd.) – eine Art ‘Metaphysik der Moderne’ als Überschlag über vielfältige psychologische, soziologische und philosophische Einzelanalysen. Diese Zweiteilung des Werkes steht exemplarisch für das sich durch Simmels gesamtes Denken ziehende Verhältnis der Objektivierungsleistungen des menschlichen Lebens zu den daraus erwachsenden formalen Zusammenhängen und ihren selbstreferentiellen und dialektischen Wechselwirkungen: „Der eine soll das Wesen des Geldes aus den Bedingungen und Verhältnissen des allgemeinen Lebens verstehen lassen, der andere umgekehrt Wesen und Gestaltung des letzteren aus der Wirksamkeit des Geldes.“ (PhG 11) Trotz ökonomischer Begriffe und Gegenstände wie Wertung, Kauf, Tausch und Produktion etc. geht es um die Erforschung der Strukturen menschlichen Lebens, die sich Simmel zufolge prinzipiell an jeglicher Einzelheit studieren ließen, am Phänomen des Geldes jedoch paradigmatisch für die Lage des Menschen in der Moderne – derart, dass die Analysen des historischen Materialismus hier kurzsichtig auf halber Strecke stehen bleiben konnten und so eines Unterbaues bedürften, der die singulären Phänomene zu einem symbolischen Ausdruck des gesamten Daseins verknüpft, was Simmel gelegentlich den Vorwurf des Ästhetizismus eintrug.[9] Die Ökonomie erscheint sowohl als eine mögliche Betrachtungsweise als auch Ausprägung der Kultur, unter der Simmel die Gesamtheit der Lebensäußerungen versteht und für deren Analyse die Philosophie des Geldes im Sinne eines Pars pro toto stehen mag:
„Dies ist die philosophische Bedeutung des Geldes: daß es innerhalb der praktischen Welt die entschiedenste Sichtbarkeit, die deutlichste Wirklichkeit der Formel des allgemeinen Seins ist, nach der die Dinge ihren Sinn aneinander finden und die Gegenseitigkeit der Verhältnisse, in denen sie schweben, ihr Sein und Sosein ausmacht.“ (PhG 136)
I. Lebens-Formen
Das Gesamtwerk Georg Simmels umfasst ein breites Spektrum an Aspekten und Themen, die sich auf den ersten Blick kaum miteinander in Einklang bringen lassen und zuweilen den Eindruck impressionistischer Spielerei angesichts der Buntheit des Berliner Großstadtlebens erwecken, dessen nervöse Unübersichtlichkeit nahezu lebenslänglich auf den Philosophen, Soziologen und Essayisten einwirkte.[10] Dennoch lässt sich innerhalb dieses Schaffens das Anliegen zur Ausarbeitung einer Meta-Theorie der Lebensformen verfolgen, die verschiedene – auch wechselnde – Akzente setzt und bestimmten Voraussetzungen unterliegt:
Die gesetzten Schwerpunkte lassen sich grob nach Erkenntnistheorie, Soziologie und Kulturphilosophie oder Metaphysik unterscheiden, wobei sich eine strikte Einteilung nach aufeinanderfolgenden Phasen mit Blick auf die angeführte Selbsteinschätzung nicht halten lässt, da die Disziplinen in Gestalt von methodischen Reflexionen und Analogien in sämtlichen Schriften Simmels aufzufinden sind.[11] Zu den Voraussetzungen gehören einerseits eine an Kant und dem südwestdeutschen Neukantianismus orientierte Erkenntnistheorie sowie deren Modifikation zur kategorialen Formung der gesamten Erfahrungswirklichkeit und andererseits ein Begriff des Lebens als übergeordnetes Prinzip, das durch dynamische Kontinuität und progressive Differenzierung gekennzeichnet ist.[12] Einflussreich waren hier die anfängliche Inspiration durch Herbert Spencers evolutionistisches Theorem der Transformation von der Homogenität zur Heterogenität und später die Auseinandersetzung mit Bergson, sodass ein Versuch der Synthese dieser Prämissen den Mittelpunkt seiner Spätphilosophie ausmacht: „Daß das Leben absatzloses Fließen ist und zugleich ein in seinen Trägern und Inhalten Geschlossenes, um Mittelpunkte Geformtes, Individualisiertes, und deshalb, in der anderen Richtung gesehen, eine immer begrenzte Gestaltung, die ihre Begrenzheit dauernd überschreitet, – das ist seine wesenbildende Konstitution.“[13] Das Leben wird mit den für Simmels Stil typisch paradoxen Formeln wie ‘immanente Transzendenz’ sowie ‘Mehr-Leben’ und ‘Mehr-als-Leben’ umschrieben, die die Zusammengehörigkeit von Formen und Leben, ihre Reziprozität und die damit verbundene Tragik angesichts der zu Entfremdung und Kristallisation neigenden Modifikationen ursprünglicher Kreativität einzufangen versuchen. Weit über naiven Biologismus hinausgehend, interpretiert Simmel das Leben nach dem Muster einer Selbstorganisation, die sowohl Reproduktion als auch Repräsentation und deren Konsequenzen für kulturelles Handeln beinhaltet.[14]
Simmel gehört – wie Dilthey und in gewissem Sinne auch Nietzsche – zu den Vertretern der Lebensphilosophie, die sich Kants Anspruch einer Vernunftkritik zu eigen machen, indem sie einerseits das „Zusammenwirken sämtlicher geistiger Energien“[15] im Ganzen der Person gegen dessen noch einseitig intellektualistische Ausrichtung hervorheben, andererseits aber eine Interpretation seiner Kategorienlehre im Sinne eines produktiven Vermögens menschlicher Erkenntnis vertreten: „So ist die Welt ein System sich gegenseitig tragender Faktoren, das Ich ist die Tätigkeit, die die sinnlichen Elemente in diese Gegenwirkungen, d.h. zu ihrer Einheit bringt, aber nicht aus ihnen heraustritt, es ist die Lebendigkeit des Weltprozesses, der in der verständlichen, Objekte bildenden, das Chaos der Sinnlichkeit formenden Verbindung jener Elemente besteht.“[16] Am deutlichsten ist Simmels Position zur konstitutiven Rolle des Bewusstseins im Erkenntnisprozess bei der Auseinandersetzung mit Realismus und Historismus in seiner Geschichtsphilosophie, deren fundamentales Problem darin bestehe, „wie aus dem realen Geschehen das wissenschaftliche Gebilde wird, das wir Geschichte nennen“[17]. Die entscheidende Akzentverschiebung gegenüber dem Kantianismus beruht indessen darauf, dass Simmels ‘apriorische’ und ‘transzendentale’ Kategorien als lebendige Funktionen ihrerseits dem historischen und sozialen Wandel unterliegen, aber entsprechend ihrer Reflexionsebene Bedingungen der Erfahrung darstellen:
„Wenn also einerseits jeder vorliegenden Erscheinung gegenüber die Aufgabe besteht, in ihr und über ihren sinnlich gegebenen Inhalt hinweg die dauernden apriorischen Normen zu suchen, von denen sie geformt ist – so besteht daneben die Maxime: jedem einzelnen Apriori gegenüber (darum aber keineswegs dem Apriori überhaupt gegenüber!) die genetische Zurückführung auf Erfahrung zu versuchen.“ (PhG 113)
Dieses offenkundige Paradoxon wird dahingehend zu erklären versucht, dass die Formen zwar unabhängig von ihrer Genesis gelten, da sie Objektivität erst ermöglichen, diese aber nur im Hinblick auf eine jeweilige Subjektivität, worunter nicht nur Individuen, sondern ebenso Kollektive und durch Wechselwirkung konstituierte Handlungszusammenhänge fallen, die eigene logische Räume jenseits eines bloßen Psychologismus eröffnen.
Simmel stellt das Leben als einen Differenzierungs- und Objektivierungsprozess vor, der nur in von ihm ausgehenden Gestaltungen verlaufen kann, wie in der Philosophie des Geldes exemplarisch an einer Werttheorie ausgeführt wird. Vom Grundphänomen des Selbstbewusstseins aus, das sich aus einem Indifferenzzustand des bloßen Triebgenusses durch das Distanzierungsvermögen des Geistes zur notwendigen Gegenüberstellung von Subjekt und Objekt herauskristallisiert, über die Autonomie logischer Geltungen aus Bewusstseinsakten und schließlich bis zur Ausbildung der großen Kulturformen von Wissenschaft, Kunst und Religion erweist sich geistiges Leben als Erzeuger von Objektivationen, die Simmel in wechselnden Dualismen beobachtet: anfangs als Form und Inhalt, unter Betonung des gestaltenden Prozesses gegenüber dem rohen Material, später als Dialektik von Leben und Form – diesmal in der Gegenüberstellung von dynamischem Fluss und statischem Kulturgebilde. Diese Aufteilung zieht sich auch methodisch durch sein Werk:
„Es gibt vielleicht keine Notwendigkeit des Denkens, deren wir uns – obgleich sie weder logischen Zwang noch den der fühlbar gegebenen Tatsächlichkeit enthält – so wenig entschlagen können, als der Zerlegung der Dinge in Inhalt und Form. (…) Die Wissenschaft und die Kunst, die Religion und die gefühlsmäßig-innerliche Verarbeitung der Welt, die sinnliche Auffassung und der Zusammenhang der Dinge nach einem Sinn und Wert – dies und vielleicht noch andre sind die großen Formen, durch welche jeder einzelne Teil des Weltinhaltes sozusagen durchpassieren kann und soll.“[18]
Der Ausgangspunkt der Philosophie des Geldes ist ein nicht logisch deduzierbarer Perspektivismus menschlichen Lebens, das sich seine Welt nach zwei voneinander unabhängigen Gesichtspunkten gegenüberstellt: einmal nach dem der Gewissheit wirklichen Seins, das andere Mal als Wert. Sein bzw. Wirklichkeit und Wert sind die umfassenden Formen, die sich als Urphänomene der von Simmel so bezeichneten ‘reinen Inhalte’ annehmen: „Die Wirklichkeit und der Wert sind gleichsam zwei verschiedene Sprachen, in denen die logisch zusammenhängenden, in ideeller Einheit gültigen Inhalte der Welt, das, was man ihr ‘Was’ genannt hat, sich der reinen Seele verständlich machen –“ (PhG 28). Weder ist damit eine subjektive Willkür noch die Anerkennung eines bereits objektiv Gegebenen gemeint, sondern ein zunächst ungeschiedenes Phänomen, nach welchem Muster sich auch der ontogenetische Prozess des Sich-selbst-bewusst-Werdens vollzieht, indem sich das zunächst indifferente seelische Leben als Ich-Subjekt und Ich-Objekt, seine Einheit so erst gewahrend, gegenübertreten: „So hat der Mensch, sobald er sich seiner selbst bewußt wird, zu sich selbst Ich sagt, die grundlegende Form seines Verhältnisses zur Welt, seiner Aufnahme der Welt realisiert.“ (PhG 31) Das Modell der Differenzierung verfolgt Simmel an den beiden Reihen von Wirklichkeit und Wert weiter: Erstere gehe aus einem „primitiven, undifferenzierten Vorstellen“ (PhG 32) schließlich in den Subjekt-Objekt-Gegensatz ein, Letzterer distanziere sich von dem unmittelbar triebhaften Genuss zum entfernten Ziel des Begehrens. Die so entstandenen Gegenstände und Werte stellen zwar Korrelate zum vorstellenden und begehrenden Ich dar, doch bildet sich eine ideelle Dignität ihrer logischen Geltung heraus: „Wie wir gewisse Sätze als wahr vorstellen, mit dem begleitenden Bewußtsein, daß ihre Wahrheit von diesem Vorgestelltwerden unabhängig ist – so empfinden wir Dingen, Menschen, Ereignissen gegenüber, daß sie nicht nur von uns als wertvoll empfunden werden, sondern wertvoll wären, auch wenn niemand sie schätzte.“ (PhG 35) Die Autonomie dieser idealen Gebilde als etwas ‘Drittes’, als Bedeutung jenseits von rein Subjektivem oder Objektivem, bleibt ein besonderer Aspekt der Philosophie Georg Simmels, der sich als ‘Achsendrehung des Lebens’ oder ‘Wendung zur Idee’ mit besonderer Betonung des selbstreferentiellen Akzentes in seiner Lebensanschauung wiederfindet:
„[D]ie Formen und Funktionen, die das Leben um seiner selbst willen, aus seiner eigenen Dynamik hervorgetrieben hat, werden derart selbständig und definitiv, daß umgekehrt das Leben ihnen dient, seine Inhalte in sie einordnet, und daß das Gelingen dieser Einordnung als eine ebenso letzte Wert- und Sinnerfüllung gilt, wie zuvor die Einfügung dieser Formen in die Ökonomie des Lebens.“ (L 38)
Die Distanz stellt sich als konstituierendes Moment der Eigenbedeutung der Dinge und der Entwicklung von Formen des Lebens heraus, zu denen insbesondere auch die persönliche Individualität gerechnet werden kann.[19] Im Falle des wirtschaftlichen Wertes besteht diese Entfernung in dem Rückgang der Triebhaftigkeit und der Verselbständigung des Ich durch zunehmenden Abstand zum Gegenstand in einem mittleren Verhältnis zwischen Seltenheit und Nichtseltenheit, des Weiteren in einem Aufschub und einer Verfeinerung der Befriedigungsmöglichkeiten, sodass in einem Nietzsche-Freudschen Sinne auch von Sublimierung gesprochen werden kann: „die Objektivierung des Wertes entsteht in dem Verhältnis der Distanz, die sich zwischen dem subjektiv-unmittelbaren Ursprung der Wertung des Objekts und unserem momentanen Empfinden seiner bildet“ (PhG 48). Mit der Distanzierung als Wertkonstitution ist zugleich deren zu verwirklichende Überwindung impliziert, die den objektiv gewordenen Wert als Anspruch oder Forderung auf das Subjekt zurückbezieht. Dieses Umkehrverhältnis leitet zu dem mit der Form-Inhalt-Unterscheidung eng verbundenen Theorem der Wechselwirkung über, das im Tausch seine deutlichste Ausprägung findet.
II. Wechselwirkung
Wie das Hervorgehen der Formen des Lebens aus den Formungen gleichsam die Statik dieses philosophischen Korpus darstellt, so verleiht das Prinzip der Wechselwirkung dem Gerüst eine Dynamik, deren Ziel die Auflösung aller Substanzen in Funktionen ist. Auch dieses Theorem findet sowohl unter dem erkenntnistheoretischen als auch dem soziologischen wie dem kulturphilosophischen Aspekt des Simmelschen Denkens seine Anwendung und wächst ihm zu einem ontologischen Prinzip heran: Der Zusammenhang des Lebens besteht in den Relationen von allem mit allem, sodass sämtliche der zu untersuchenden Phänomene nur Benennungen für exemplarische Komplexe sein können, die die Gesetzmäßigkeiten des Ganzen verdeutlichen und das Verhältnis des Menschen zur Welt darin besteht, „daß aus der absoluten Einheit und dem Ineinanderverwachsensein der Dinge, in dem jedes das andere trägt und alle zu gleichen Rechten bestehen, unsere Praxis nicht weniger als unsere Theorie unablässig einzelne Elemente abstrahiert, um sie zu relativen Einheiten und Ganzheiten zusammenzuschließen“ (PhG 58). Wert, Tausch und Geld legen somit Zeugnis ab für Simmels „Weltformel“ (PhG 93) des Relativismus – kein Skeptizismus, sondern ein Denken in Beziehungen und Interdependenzen.[20]
Die bisher nur einseitig betrachtete Konstitution des Wertphänomens als Gegenstand eines Begehrens und seiner Erreichung gewinnt eine mehrdimensionale Bestimmung innerhalb der Intersubjektivität. Der Wert als Ziel vieler Interessen lenkt den Blick auf den Tausch zur Erlangung eines Wertvollen durch Opferung des einen für das andere, sodass im Aufbau von Bewertungsverhältnissen als Bedingung der Möglichkeit von Wirtschaft der subjektiv-personale Unterbau verlassen zu werden scheint: „Die Tatsache des wirtschaftlichen Tausches also löst die Dinge von dem Eingeschmolzensein in die bloße Subjektivität der Subjekte und läßt sie, indem sie ihre wirtschaftliche Funktion in ihnen selbst investiert, sich gegenseitig bestimmen.“ (PhG 56) Als Spezialfall der Wechselwirkung verkörpert er darüber hinaus gleichsam ein Existenzial des Menschen als sozial handelndes Wesen: „Jede Wechselwirkung aber ist als ein Tausch zu betrachten: jede Unterhaltung, jede Liebe (auch wo sie mit andersartigen Gefühlen erwidert wird), jedes Spiel, jedes Sichanblicken.“ (PhG 59) Auf allen Gebieten menschlichen Zusammenlebens, sogar für den Einzelnen allein, symbolisiert der Tausch eines Wertes gegen einen anderen das Verhalten zur Welt. Dabei ist er nicht etwas zwischen seinen Elementen stehendes, sondern die übergreifende Form der intentional zu nennenden Beziehungen, in die sie eingehen. Er hebt das einzelne Ding und seine Bedeutung für den einzelnen Menschen aus ihrer Singularität in die Lebendigkeit der Wechselwirkung, wo die qualitativen Bewertungen im wirtschaftlichen Verkehr zu quantitativ ausdrückbaren Balancen objektivierbar und abstrahierbar werden und so das Geld als „Gipfel und reinsten Ausdruck“ (PhG 93) des Wertes ermöglichen.
In Analogie zu diesen Beobachtungen sind auch Simmels Ansätze zu einer Wahrheitstheorie zu verstehen: Das Grundproblem dieser bestehe in dem scheinbaren Gegensatz des Absoluten und des Relativen. Er diagnostiziert es als „Grundrichtung der modernen Wissenschaft“, dass sie in Abweichung zur traditionellen Ontologie
„die Erscheinungen nicht mehr durch und als besondere Substanzen, sondern als Bewegungen versteht, deren Träger gleichsam immer weiter und weiter ins Eigenschaftslose abrücken; daß sie die den Dingen anhängenden Qualitäten als quantitative, also relative Bestimmungen auszudrücken sucht; daß sie statt der Stabilität organischer, psychischer, ethischer, sozialer Formationen eine rastlose Entwicklung lehrt, in der jedes Element eine begrenzte, nur durch das Verhältnis zu seinem Vorher und Nachher festzulegende Stelle einnimmt; daß sie auf das an sich seiende Wesen der Dinge verzichtet und sich mit der Feststellung der Beziehungen begnügt, die sich zwischen den Dingen und unserem Geiste, von dem Standpunkte dieses aus gesehen, ergeben“ (PhG 95).
Dennoch fragt sich Simmel, ob von dieser Auflösung auch sämtliche Geltungen und Kriterien erfasst werden können. Es bedürfe doch einer Anerkennung bestimmter Axiome und Voraussetzungen, die zwar ebenso relativ sind, deren Geltung aber im Sinne des ‘Als ob’ einen vorläufigen Anhalt bietet, jedoch der fortwährenden Korrektur unterliege. Der Anspruch auf Wahrheit wird nicht wie mit Nietzsches Asymmetrie zugunsten des Irrtums vollständig aufgegeben, sondern Simmel lässt Wahrheit als Verhältnisbegriff in seinen momentanen Relationen schweben, sodass durch die Ausblendung eines externen Referenten eine aktuelle ‘Binnengeltung’ konstituiert wird:
„Das Erkennen ist so ein freischwebender Prozeß, dessen Elemente sich gegenseitig ihre Stellung bestimmen, wie die Materiemassen es vermöge der Schwere tun; gleich dieser ist die Wahrheit dann ein Verhältnisbegriff. (…) Die unserem Geiste eigene Notwendigkeit, die Wahrheit durch Beweise zu erkennen, verlegt ihre Erkennbarkeit entweder ins Unendliche oder biegt sie zu einem Kreise um, indem ein Satz nur im Verhältnis zu einem anderen, dieser andere aber schließlich nur im Verhältnis zu jenem ersten wahr ist. Das Ganze der Erkenntnis wäre dann so wenig ‘wahr’, wie das Ganze der Materie schwer ist; nur im Verhältnis der Teile untereinander gälten die Eigenschaften, die man von dem Ganzen nicht ohne Widerspruch aussagen könnte.“ (PhG 100)
Der oft wegen seiner Unentschlossenheit getadelte Simmel versucht hier mit einer bei ihm häufigen Argumentation, die strikte Trennung zwischen dem entweder absolut Wahren oder relativ Beliebigen zugunsten einer sowohl als auch gültigen Beziehung aufzuheben. Diese interne Konsistenz der Relationen zeichnet sich des Weiteren durch ihren Bezug auf das beliebte evolutionär-pragmatische Kriterium aus: „So können sich zwar unsere einzelnen Erkenntnisse gegenseitig tragen, indem die einmal festgestellten Normen und Tatsachen zum Beweise für andere werden, aber das Ganze derselben hat seine Gültigkeit nur in Beziehung auf bestimmte physisch-psychische Organisationen, ihre Lebensbedingungen und die Förderlichkeit ihres Handelns.“ (PhG 103)[21] Für Simmel bedeutet die Relativität der Wahrheit keinen Abzug an ihrem Begriff, sondern sie mache gerade deren Wesen aus: Wahrheit gelte nicht, obwohl sie relativ, sondern gerade weil sie es sei.
Wie der Wert durch die Gegenseitigkeit der Tauschbeziehungen zu etwas gleichsam Objektivem wird, besteht auch die Objektivität der Wahrheit in der Wechselwirkung zwischen den unterschiedlichen Erkenntnisakten. Simmel weiß nichts mehr von einem substantiellen Begriff der Gegenständlichkeit, Wahrheit, Person oder Gesellschaft; es sind lediglich die aufeinander verweisenden und in ihrer Wechselwirkung geltenden Beziehungen, seien es Bewusstseinsakte, Methoden, Tauschverhältnisse, die in ihrer regulativen Funktionalität einen Zusammenhang konstituieren, so als ob von einer Substanz gesprochen werden könnte. Diesen Gedanken einer Objektivität als Symbol für die Totalität der Relationen greift Simmel auch in seiner Spätphilosophie in Gestalt des individuellen Gesetzes wieder auf, indem er das ideale Sollen aus der Totalität des einzelnen Lebens hervorgehen lassen will: „Alles, was ihn umgibt und was er von je erlebt hat, die stärksten Triebe seines Naturells wie die flüchtigsten Eindrücke – alles dies formt an jenem flutendem Leben der Persönlichkeit, und aus alledem wächst, wie eine Wirklichkeit, so ein Sollen.“ (L 227)
Methodisch resultiert daraus für Simmel ein heuristischer Pluralismus, der sich von allen möglichen Seiten und auf alle möglichen Arten dem Gegenstand seiner Aufmerksamkeit zuwendet, sodass allein die in Aussicht gestellte Einheit des Weltbildes eine Beziehung zwischen den Perspektiven zu stiften imstande ist, die „nicht mehr in der Form des gegenseitigen Sich-Ausschließens, sondern des Aufeinander-Angewiesenseins, gegenseitigen Sich-Hervorrufens und Sich-Ergänzens praktisch werden“ (PhG 107). Dies sei jedoch nicht im Sinne eines Kompromisses gemeint, sondern eine weitere Ausführung des Theorems der Konstitution von Objektivität durch relational verwobene Subjektivitäten, wie sie für Simmel am deutlichsten in Kunstwerken zutage tritt.[22] Insbesondere die Philosophie des Geldes gibt zahlreiche Beispiele für die multidimensionale Betrachtung eines Gegenstandes, indem etwa einmal aus idealistischer, dann aus materialistischer, aus historischer oder pragmatischer Sicht argumentiert wird, ohne dass ein Standpunkt die Oberhand gewinnt – Simmel verfügt über keine explizite Methode, sondern eher über einen ihm eigenen Stil des Denkens, mit welchem er sich der Erscheinungen annimmt, um deren fragmentarischen Charakter durch die persönliche Attitüde des Philosophen zu vereinen.
Für das Subjekt in der Moderne zeitigt sich die Konsequenz, dass auch es selbst nur innerhalb seiner Beziehungen zu betrachten ist (von denen die sozialen nur einen Bruchteil ausmachen) und so ein Begriff von Persönlichkeit konstruiert wird, dem die Auseinandersetzung mit der Welt sowie die Gegenseitigkeit seines Verhältnisses zum Anderen immanent ist: „Unsere Seele besitzt keine substantielle Einheit, sondern nur diejenige, die sich aus der Wechselwirkung des Subjekts und des Objekts ergibt, in welche sie sich selbst teilt.“ (PhG 119)[23] Das Geld als das selbstständig gewordene Symbol wirtschaftlicher Wechselwirkung verkörpert in seiner Doppelrolle die Strukturen dieser Prozesse: einerseits als Medium und Maß den Schauplatz des Geschehens, andererseits als Mittel seine eigene Modifikation darstellend. Zwischen den beiden Polen des schlechthin Individuellen, das durch nichts austauschbar und ausdrückbar ist, und dem vollständig Fungiblen, in Gestalt des Geldes in seiner abstrakten Unindividualität und „Charakterlosigkeit“ (PhG 273), stehen alle Werte und vollzieht sich das kulturelle Leben:
„Denn die reinste Wechselwirkung hat in ihm [im Geld – T.W.] die reinste Darstellung gefunden, es ist die Greifbarkeit des Abstraktesten, das Einzelgebilde, das am meisten seinen Sinn in der Übereinzelheit hat; und so der adäquate Ausdruck für das Verhältnis des Menschen zur Welt, die dieser immer nur in einem Konkreten und Singulären ergreifen kann, die er aber doch nur wirklich ergreift, wenn dieses ihm zum Körper des lebendigen, geistigen Prozesses wird, der alles Einzelne ineinander verwebt und so erst aus ihm die Wirklichkeit schafft.“ (PhG 137)
III. Konflikt und Tragödie
Der philosophischen Wiederentdeckung Simmels durch Michael Landmann ist es zu verdanken, dass seine Theorie einer von Geldwirtschaft geprägten modernen Welt dem einseitigen Urteil, ein durch die Jahrhundertwende bedingter spätbürgerlicher Pessimismus zu sein, entzogen werden kann und die deskriptive Funktion seiner kulturtheoretischen Kategorien ‘Konflikt’ und ‘Tragödie’ innerhalb seines Entwurfs nachvollziehbar wird.[24] Die enge Beziehung der Kulturphilosophie zu den bisher erläuterten Theoremen zeigt sich bereits deutlich im synthetischen Teil der Philosophie des Geldes, der in dem Kapitel über den Stil des Lebens seinen Höhepunkt findet. Tragödie und Konflikt verdichten in den knappen Reflexionen von 1911 bzw. 1918 für die Kultur, was Simmels gesamte Philosophie bestimmte: die reziproke Auseinandersetzung zwischen Leben und Form in ihrer konstruktiven und destruktiven Funktionalität[25]:
„Es ist das Wesen des Lebens, sein Führendes und Erlösendes, sein Gegensätzliches und Siegend-Besiegendes aus sich selbst zu erzeugen; es erhält und erhebt sich gleichsam auf dem Umwege über sein eigenes Erzeugnis, und daß dieses ihm gegenübersteht, selbständig und richtend – das ist eben seine eigene Urtatsache, ist die Art, wie es selbst lebt. Die Gegnerschaft, in die es so mit dem Höheren-seiner-selbst gerät, ist der tragische Konflikt des Lebens als Geist, der natürlich jetzt in dem Maße fühlbarer wird, in dem das Leben sich bewußt wird, ihn wirklich aus sich selbst zu erzeugen und deshalb organisch, unausweichlich mit ihm behaftet zu sein.“ (IG 166)
Die Ambivalenz der Kultur verfolgt Simmel, indem er die Doppelrollen des Geldes und seiner Differenzierung sowohl historisch als auch strukturell rekonstruiert: als Substanz und Funktion sowie als Mittel und Zweck.
Die logische Bedeutung des Geldes als Hypostasierung der Tausch- und Wertverhältnisse lässt es je nach Entwicklungsstufe Stationen durchlaufen, die es an einen konkreten, meist selbst wertvollen Gegenstand binden, um die Vereinheitlichung des intersubjektiven Warenverkehrs zu verwirklichen. Der Prozess verläuft derart, dass es seine eigene substanzielle Verkörperung als Zwischenwert in Gestalt von Edelmetall oder Alltagsgegenständen immer mehr zugunsten der reinen Funktion verliert, die keiner anschaulichen Symbolisierung mehr bedarf. Der Verlust an definitiven Realitäten und sinnlich erfahrbaren Repräsentanten interindividueller Verhältnisse signalisiert für Simmel aber andererseits den Übergang zu subtileren Möglichkeiten kultureller Entwicklung: „Die Steigerung der intellektuellen, abstrahierenden Fähigkeiten charakterisiert die Zeit, in der das Geld immer mehr zum reinen Symbol und gegen seinen Eigenwert gleichgültig wird.“ (PhG 171/172) Das Ideal wäre die absolut ungegenständliche Funktionalität, die jedoch nach Simmel aufgrund technischer Unvollkommenheiten realiter nicht zu erreichen sein wird, wofür bspw. der noch heute an glänzende Kreditkarten gebundene, bargeldlose Zahlungsverkehr stehen kann. Dies soll jedoch nicht glauben machen, dass der Substanzwert des Geldes jemals etwas anderes sein könnte als bloße Funktion, denn was „der Tausch unter Individuen als Aktion ist, das ist das Geld in konkret gewordener, für sich bestehender, gleichsam erstarrter Form“ (PhG 211). Verfeinerung und Vergeistigung sind die Synonyme für den Prozess der Differenzierung, den Simmel am Leben nach dem Paradigma des Geldes nachzeichnet.
Zusätzliche Struktur dieser Transformation ist das Mittel-Zweck-Verhältnis des Geldes, das den Akzent der Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt stärker betont. Zweckhandeln heißt für Simmel, dass subjektive Intentionen mit ihren objektiven Rückkopplungen verflochten werden und dass dieser antizipierende Prozess an gewisse Mittel zu seiner Realisierung gebunden ist. Die Möglichkeiten des Geldes für die Kulturentwicklung lassen seinen reinen Werkzeugcharakter hervortreten, der „auf Verlängerung der teleologischen Reihen für das sachlich Naheliegende und Verkürzung derselben für das sachlich Fernliegende“ (PhG 261) gerichtet ist. Das Geld ist die bloße Möglichkeit zu jedweder Verwendung; es ist das unpersönliche Mittel zu jedem Zweck, in ihm werden die subjektiven Bedürfnisse neutralisiert, um nicht mehr direkt in die Sache investiert werden zu müssen. Diese in ihm liegende Macht legt den Grund dafür, dass die Bedeutung als reines Mittel in eine des Selbstzweckes umzuschlagen vermag und damit für Simmel sogar einen die regulativen Ideen praktischen Handelns absorbierenden Wert gewinnt, indem es eine Gottesvorstellung nach Art der cusanischen coincidentia oppositorum impliziert:
„Indem das Geld immer mehr zum absolut zureichenden Ausdruck und Äquivalent aller Werte wird, erhebt es sich in abstrakter Höhe über die ganze Mannigfaltigkeit der Objekte, es wird zu dem Zentrum, in dem die entgegengesetztesten, fremdesten, fernsten Dinge ihr Gemeinsames finden und sich berühren; damit gewährt tatsächlich auch das Geld jene Erhebung über das Einzelne, jenes Zutrauen in seine Allmacht wie in die eines höchsten Prinzips, uns dieses Einzelne und Niedrige in jedem Augenblick zu gewähren, sich gleichsam wieder in dieses umsetzen zu können.“ (PhG 305)
Geldgier und Geiz, Askese und Verschwendung, Zynismus und Blasiertheit sind die psychologischen Korrelate der Geldkultur, die das Leben sich in seinen Mitteln verfangen lässt. Auf der anderen Seite führt die Charakterisierung des Geldes nach Maßgabe seines funktionellen und technischen Aspektes dazu, dass es zum augenfälligsten Repräsentanten der von Simmel bereits in Anspruch genommenen Tendenz moderner Wissenschaft wird: „der Reduktion qualitativer Bestimmungen auf quantitative“ (PhG 366). Damit ist der Horizont abgesteckt, innerhalb dessen Simmel Konflikt und Tragödie des modernen Menschen in einem nicht pejorativen Sinne analysiert.
Anthropologisch umschrieben als das indirekte, tauschende und objektive Tier steht er in einem historischen Prozess, der durch die Entwicklung des Geldes von zunehmender Freiheit gegenüber vormodernen Lebensbindungen bestimmt ist. Die Übertragung persönlicher Interessens- und Wertbeziehungen in die Sphäre der Sachlichkeit und anhand eines neutralen Äquivalents ermöglicht eine Entemotionalisierung von Leistungen in Konflikten und Konkurrenz, die nicht mehr vom ganzen Individuum in Form von z.B. Kampf, Raub, Sklaverei oder Leibeigenschaft etc. ausgetragen werden müssen, und eine allmähliche Emanzipation des Einzelnen von einer auf Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnissen gegründeten Gesellschaft. Zwar geht die moderne Tendenz dahin, dass das Subjekt von den Leistungen immer mehr Menschen abhängig wird, von den jeweiligen Persönlichkeiten aber immer unabhängiger wird: ein Effekt, der auch die gegenwärtige Globalisierung charakterisiert. Individualisierung und Vergesellschaftung sind demnach korrelative Prozesse, deren Komplexität mit der Ausbreitung des Geldwesens zunimmt. Ebenso wird die Bewertung von Arbeit und Produktion zunehmend entpersonalisiert und bedeutet somit einen Zugewinn an Freiheit: „Ist Freiheit die Unabhängigkeit von dem Willen Anderer überhaupt, so beginnt sie mit der Unabhängigkeit von dem Willen bestimmter Anderer.“ (PhG 400)
Simmel stellt in der Neuzeit eine Parallelentwicklung fest: zum einen die zunehmende Versachlichung in Form naturwissenschaftlicher und mathematischer Beschreibungen sämtlicher Erscheinungen, zum anderen die wachsende Betonung der Individualität, der persönlichen Freiheit und Unabhängigkeit gegenüber allem Äußerlichen. Gemeinsames Symbol sei das Geld als Träger dieser Differenzierung. Die Trennung von Haben und Sein, die Arbeitsteilung im Gegensatz zum Handwerk, die Steuer im Gegensatz zum Fron verdeutlichen eine Differenzierung, der die Ambivalenz innewohnt: „Indem das Geld gleichsam einen Keil zwischen die Person und die Sache treibt, zerreißt es zunächst wohltätige und stützende Verbindungen, leitet aber doch jene Verselbständigung beider gegeneinander ein, in der jedes von beiden seine volle, befriedigende, von dem andern ungestörte Entwicklung finden kann.“ (PhG 456) Die andere Seite der Medaille verschweigt Simmel nicht, denn wie das „Geld zum Maß für den Menschen“ mutiert, korrespondiert ihm die Umkehrung, nach der der „Mensch zum Maß für das Geld wird“ (PhG 483). Von Blutgeld über Mitgift bis hin zur Prostitution eröffnet Simmel ein Panoptikum der Konsequenzen, die die Indifferenz des Geldes gegenüber dem Menschlichen nach sich zieht und seinen Freiheitscharakter rein negativ erscheinen lässt, denn die bloße leere Freiheit von etwas bedarf des Korrektivs einer Freiheit zu etwas. Der Mensch verliere bloß etwas durch die Befreiung, wenn er diesen neu geschaffenen Raum nicht zu nutzen weiß. Dies zeichnet den Stil des Lebens in der Moderne aus, den Simmel als tragischen Konflikt apostrophiert. Eine allseitige Rationalität und Intellektualität führte zur Entfernung des emotionalen Elements aus Wissenschaft und anderen praktischen Zusammenhängen, sodass die Verflechtung von Zweckreihen neue Einheiten bildete. Intellekt und Geld zeigen die Strukturaffinität der Charakterlosigkeit und Oberflächlichkeit, die aber positiv die Tendenz zum Ausgleich zwischen Divergenzen impliziert. Negativ jedoch ermöglicht die absolute Sachlichkeit einen Egoismus, der aus anderen Quellen stammende Ansprüche nicht mehr in Rechnung stellt. Erkenntnisideal dieser Bestrebungen sei es, „die Welt als ein großes Rechenexempel zu begreifen, die Vorgänge und qualitativen Bestimmtheiten der Dinge in einem System von Zahlen aufzufangen“ (PhG 612), um die Präzision gegen das Unbestimmte und Mehrdeutige auszuspielen. Die Objektivierung und Differenzierung des allgemeinen Lebens infolge der Geldwirtschaft sieht Simmel an den Phänomenen der Distanz, des Rhythmus und des Tempos veranschaulicht, wie sie die zeitgenössische Atmosphäre der Großstadt auszeichnen. In der Verlängerung der Zweckreihen durch Einschaltung abstrakter Mittel, in der Abkehr vom naturunterworfenen Zeitempfinden zur technischen Manipulation der Lebensprozesse und der Beschleunigung dieser durch emotionsfreie Wechselbeziehungen vollzieht sich der Fortgang objektiver Kultur, an der das Subjekt zwar zwecks persönlicher Kultivierung und Bildung selektiv teilzunehmen imstande ist, deren Unübersichtlichkeit aber zusehends die Isolation des Individuums in fragmentarisch nebeneinander stehenden Teilbereichen zur Folge hat: „die Dinge, die unser Leben sachlich erfüllen und umgeben, Geräte, Verkehrsmittel, die Produkte der Wissenschaft, der Technik, der Kunst – sind unsäglich kultiviert; aber die Kultur der Individuen, wenigstens in den höheren Ständen, ist keineswegs in demselben Verhältnis vorgeschritten, ja vielfach sogar zurückgegangen“ (PhG 620). Die Diskrepanz von subjektiver und objektiver Kultur im Sinne einer Inkommensurabilität persönlicher und sachlicher Inhalte ist nach Simmel die logische Konsequenz moderner Rationalität und führt einen Zustand herbei, der – eine Generation vor Ortega y Gasset (1883 – 1955) – „nicht der Aufstand der Massen, sondern der der Sachen“ (PhG 674) sei.
Die Eigendynamik der Kulturobjekte mag zu einem nicht mehr einlösbaren Anspruch an das Subjekt führen, doch ist der Umweg über die Form die einzige Möglichkeit der Gestaltung von Leben, sowohl als individuelle Persönlichkeit wie als Meta-Begriff für die Komplexität der Handlungen. Darin liegt die eigentliche Tragik der Kultur für Simmel: Nicht dass aus zivilisationskritischer Perspektive die Effekte der Entfremdung zugunsten eines verloren geglaubten Paradieses zurückgedrängt werden müssten, sondern dass Krisis und Konflikt zum Wesen der Kultur als „Weg der Seele zu sich selbst“ (IG 116) notwendig gehören. Ein Leben ohne kulturelle Formen wäre gleichsam blind, wie eine Kultur ohne Leben entleert wäre. Tragödie ist der unausweichliche Ablauf eines inneren Schicksals – weniger pathetisch ausgedrückt: Das lebendige System vollendet sich nach ihm immanenter Regelhaftigkeit. Von hier aus wird auch die Bedeutung des Todes in Simmels späterer Lebensphilosophie verständlich: „Das Leben fordert von sich aus den Tod, als seinen Gegensatz, als das ‘Andere’, zu dem das Etwas wird und ohne das dieses Etwas überhaupt seinen spezifischen Sinn und Form nicht hätte.“ (L 111) Auf die moderne Kultur der Geldwirtschaft angewendet bedeutet dies, dass die Versachlichung aller äußerlichen Lebensverhältnisse die ideale Vollendung dieser impliziert und so das Individuum auf der Suche nach neuen Formen seiner eigenen Gestaltung auf sich selbst zurückgeworfen wird:
„Indem das Geld ebenso Symbol wie Ursache der Vergleichgültigung und Veräußerlichung alles dessen ist, was sich überhaupt vergleichgültigen und veräußerlichen läßt, wird es doch auch zum Torhüter des Innerlichsten, das sich nun in eigensten Grenzen ausbauen kann. Inwieweit dies nun freilich zu jener Verfeinerung, Besonderheit und Verinnerlichung des Subjekts führt, oder ob es umgekehrt die unterworfenen Objekte gerade durch die Leichtigkeit ihrer Erlangung zu Herrschern über den Menschen werden läßt – das hängt nicht mehr vom Gelde, sondern eben vom Menschen ab.“ (PhG 653)
Wenn auch der Kunst und dem Ideal der Vornehmheit als den persönlichsten Formen von Objektivierung ein gewisser Vorteil gegenüber den nivellierenden Tendenzen monetärer Rationalität eingeräumt wird, bietet Simmel keine Auswege oder Entscheidungen an; seine Philosophie des Geldes spielt Leben und Geld nicht gegeneinander aus, wie es etwa von einer romantisierenden Kulturkritik zu erwarten gewesen wäre – vielmehr führt das Geld als Leitbegriff eine Phänomenologie der Lebenswelt auf dem Wege „von der geschlossenen Einheit durch die entfaltete Vielheit zur entfalteten Einheit“ (IG 118).
Fazit
Die Einreihung neben Husserl und Freud hat nicht nur den äußeren Grund der Veröffentlichung eines epochalen Werkes im Todesjahre Nietzsches, sondern stellt auch inhaltliche Bezüge zu einem modifizierten Verständnis menschlichen Bewusstseins in Auseinandersetzung mit der es umgebenden Wirklichkeit her. So unterschiedlich die Zielsetzungen und Begrifflichkeiten auch sind, lässt sich an der Philosophie des Geldes einerseits der Gedanke einer von vital-dynamischen Prozessen getragenen Kultivierung und Differenzierung des Ich ablesen, der ebenso der psychoanalytischen Theorie der Persönlichkeit zugrunde liegt, andererseits die Blickwendung hin zu einem in Relationen und Aktvollzügen lebendigen Bewusstsein, das im Intentionalitätskonzept der Phänomenologie seinen deutlichsten Ausdruck fand. Bescheidener als Freud oder Husserl verstand sich Simmel jedoch nie als Begründer einer Bewegung, sondern zeugt mit der Art und Weise seines sich immer wieder an Singulärem abarbeitenden Denkens davon, dass er selbst tiefer in jenem Umwälzungsprozess involviert war als die beiden Zeitgenossen, deren aus zurückliegenden Zeiten stammendes Wissenschaftsideal den Strudel des Neuen in methodisch reflektierte Bahnen zu lenken sich vornahm. So beweglich und kaum zu fassen das war, was Simmel als Sinn des Ganzen am Einzelnen zu entdecken glaubte, so starr und schwerfällig erwies sich zuweilen sein Instrumentarium einer an Kant und Hegel festhaltenden Begrifflichkeit, die jedoch seine daraus resultierende ‘Dialektik der Aufklärung’ nicht zu versöhnen wusste, sondern die Aporien und Antinomien der Moderne mit in die Fragment gebliebene Metaphysik des Lebens übernahm.
Georg Simmel als Philosoph ist ein Repräsentant des Übergangs, ohne eine bloße Erscheinung desselben zu bleiben. Einerseits knüpft er an die Tradition des Idealismus an und versucht den lebendigen Geist auf den Begriff zu bringen, indem er in großen Linien und feinen Strichen immer wieder den Weg vom Subjektiven zum Objektiven vor dem Hintergrund des Absoluten nachzeichnet. Andererseits bewegt er sich mit seiner Kritik am überkommenen Konzept der Rationalität, mit seinem fragmentarischen Perspektivismus in eine Richtung, die sich von der Lebensphilosophie über den Existenzialismus bis hin zu sämtlichen Ausprägungen dekonstruktiven Denkens erstreckt – von einem pragmatistischen oder phänomenologischen Gestus ganz zu schweigen. Doch diese vorsichtige Einfügung in das philosophische Koordinatensystem der Neuzeit unterstreicht lediglich die bereits bekannte Tatsache, dass wir es mit einem ‘Klassiker der Moderne’ zu tun haben. Was Simmel darüber hinaus interessant und bedeutsam macht, ist die Art seines Blickes, „das aufnehmende und reagierende Organ für die Ganzheit des Seins“[26], der – ohne selbst in ideologische Schieflage zu geraten – den Diskussionsstand seiner Zeit offenlegt und andererseits durch seine Unentschlossenheit und begriffliche Unschärfe die Auseinandersetzung provoziert. Noch jenseits der Alternativen von Gemeinschaft und Gesellschaft, von Auferstehung oder Untergang, von Eigentlichkeit versus Uneigentlichkeit stehend, lenkt Simmel die Aufmerksamkeit auf die Lebenspraxis und bringt Steine ins Rollen, die gerade heute Anstoß erregen können: der Status von Rationalität und Wahrheit, die Konzeption des Subjekts, die Bedeutung der Kultur. Die Frage nach ‘Geld oder Leben’ ist im Sinne Simmels mit ‘sowohl als auch’ zu beantworten und mutet der Philosophie die Anstrengung zu, vor nichts zurückschrecken zu dürfen.
Anmerkungen
[1] Georg Simmel: Fragmente und Aufsätze aus dem Nachlaß und Veröffentlichungen der letzten Jahre, hg. u. mit einem Vorwort v. Gertrud Kantorowicz, München 1923, S. 4.
[2] Die Rezeptionsgeschichte des Simmelschen Werkes gleiche, zumindest aus soziologischer Perspektive, einem „‘Steinbruchunternehmen’, bei dem jeder glaubte, frei über einzelne, den eigenen Erkenntnis- und Darstellungsinteressen dienende Teile verfügen zu können, ohne dabei das ganze des Wissenschaftsentwurfes im Auge behalten zu müssen.“ Vgl. Peter-Ernst Schnabel: ‘Positivismus, Ästhetizismus, Impressionismus, Hegelianismus. Simmel-Renaissance in der Sachgasse?’, in: Georg Simmel und die Moderne. Neue Interpretationen und Materialien, hg. v. Heinz-Jürgen Dahme und Otthein Rammstedt, Frankfurt a.M. 1984, S. 282-317; hier: 282.
[3] Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Werkes den editorischen Bericht der Herausgeber der Neuausgabe, in: Georg Simmel: Philosophie des Geldes, hg. v. David P. Frisby u. Klaus Christian Köhnke, 2. Auflage, Frankfurt a.M. 1991 (Gesamtausgabe Bd. 6) [= PhG], S. 725-729.
[4] Vgl. Hans Blumenberg: ‘Geld oder Leben. Eine metaphorologische Studie zur Konsistenz der Philosophie Georg Simmels’, in: Ästhetik und Soziologie um die Jahrhundertwende: Georg Simmel, hg. v. Hans Böhringer u. Karlfried Gründer: Frankfurt/M. 1976, S. 121-134. Zu biographischen Einzelheiten vgl. Kurt Gassen; Michael Landmann (Hg.): Buch des Dankes an Georg Simmel. Briefe, Erinnerungen, Bibliographie, zu seinem 100. Geburtstag am 1. März 1958, Berlin 1958.
[5] Simmel: Fragmente und Aufsätze, S. 1.
[6] Vgl. Antonius M. Bevers: Dynamik der Formen bei Georg Simmel: eine Studie über die methodische und theoretische Einheit eines Gesamtwerkes, a. d. Niederländ. übers. v. Fred E. Schrader, Berlin 1985; Heinz-Jürgen Dahme; Otthein Rammstedt (Hg.): Georg Simmel und die Moderne: Neue Interpretationen und Materialien, Frankfurt/M. 1984; Felicitas Dörr-Backes; Ludwig Nieder (Hg.): Georg Simmel between modernity and postmodernity. Georg Simmel zwischen Moderne und Postmoderne, Würzburg 1995; David P. Frisby: Fragmente der Moderne: Georg Simmel – Siegfried Kracauer – Walter Benjamin, Rheda-Wiedenbrück 1989; Michael Großheim: ‘Georg Simmel – ein Klassiker der Moderne?’, in: Philosophische Rundschau 43 (1996), S. 1-19; Werner Jung: Georg Simmel zur Einführung, Hamburg 1990; Klaus Lichtblau: Georg Simmel, Frankfurt 1997; Deena & Martin A. Weinstein: Postmodern(ized) Simmel, London: Routledge 1993.
[7] Vgl. Paschen von Flotow: Geld, Wirtschaft, Gesellschaft: Georg Simmels Philosophie des Geldes, Frankfurt/M. 1995; Jeff Kintzelé; Peter Schneider (Hg.): Georg Simmels Philosophie des Geldes, Frankfurt/M. 1993; Ursula Menzer: ‘Indifferenz und Substanzverlust. Georg Simmels „Philosophie des Geldes“ und seine Theorie der Moderne’, in: Philosophisches Jahrbuch 98 (1991), S. 345-353; Friedrich Pohlmann: Individualität, Geld und Rationalität. Georg Simmel zwischen Karl Marx und Max Weber, Stuttgart 1987.
[8] Georg Simmel: ‘Anfang einer unvollendeten Selbstdarstellung’, in: Buch des Dankes, S. 9-10, hier: 9.
[9] Vgl. etwa Sibylle Hübner-Funk: ‘Die ästhetische Konstituierung gesellschaftlicher Erkenntnis am Beispiel der „Philosophie des Geldes“’, in: Georg Simmel und die Moderne, S. 183-201.
[10] Vgl. Georg Simmel: ‘Die Großstädte und das Geistesleben’ (1903), in: Brücke und Tür. Essays des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft, im Verein mit Margarete Susman hg. v. Michael Landmann, Stuttgart 1957, S. 227-242.
[11] Die erste Periodisierung in drei thematische Phasen stammt von Max Frischeisen-Köhler: ‘Georg Simmel’, in: Kant-Studien 24 (1920), S. 1-51 und wurde von Michael Landmann wieder aufgegriffen und populär gemacht, vgl. dessen ‘Einleitung des Herausgebers’, in: Georg Simmel: Das individuelle Gesetz. Philosophische Exkurse, hg. v. Michael Landmann, Frankfurt a.M. 1968 (= IG), S. 7-29.
[12] Zu den Versuchen einer Positionierung Simmels vgl. Ernst W. Orth: ‘Georg Simmel als Kulturphilosoph zwischen Lebensphilosophie und Neukantianismus’, in: Georg Simmels Philosophie des Geldes, S. 88-112; Lothar Peter: ‘Élan vital, Mehr-Leben, Mehr-als-Leben. Lebensphilosophische Aspekte bei Henri Bergson und Georg Simmel’, in: Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1994, S. 7-59 sowie Bevers: Dynamik der Formen, passim. Die systematischen Beziehungen zu Hegel untersucht Petra Christian: Einheit und Zwiespalt. Zum hegelianisierenden Denken in der Philosophie und Soziologie Georg Simmels, Berlin 1978.
[13] Georg Simmel: Lebensanschauung. Vier metaphysische Kapitel, München/Leipzig 1918 [= L], S. 13.
[14] Vgl. Ferdinand Fellmann: Lebensphilosophie. Elemente einer Theorie der Selbsterfahrung, Reinbek 1993, S. 124ff.
[15] Georg Simmel: Kant. Sechzehn Vorlesungen gehalten an der Berliner Universität, München/Leipzig 1924, S. 21.
[16] A.a.O., S. 79.
[17] Georg Simmel: ‘Beiträge zur Philosophie der Geschichte’, in: IG 33-40, hier 33. Vgl. hierzu auch die Beiträge von Ferdinand Fellmann: ‘Historisches Erkennen als Fremderfahrung bei Simmel’, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 59 (1977), 56-72 und ‘Georg Simmels Theorie des historischen Erkennens und die Befreiung vom Historismus’, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 62 (1980), S. 164-174.
[18] Georg Simmel: Hauptprobleme der Philosophie, achte, unveränderte Aufl., Berlin 1964, S. 15.
[19] Zur Bedeutung Nietzsches für diesen Ansatz vgl. Klaus Lichtblau: ‘Das „Pathos der Distanz“. Präliminarien zur Nietzsche-Rezeption bei Georg Simmel’, in: Georg Simmel und die Moderne, S. 231-281. Den Zusammenhang von Individualität und Geldwirtschaft beleuchten vornehmlich aus soziologischer Perspektive Pohlmann: Individualität, Geld und Rationalität, S. 28ff sowie Nicola Ebers: „Individualisierung“. Georg Simmel – Norbert Elias – Ulrich Beck, Würzburg 1995, S. 47ff.
[20] Vgl. Raymond Boudon: ‘Die Erkenntnistheorie in Georg Simmels Philosophie des Geldes’, in: Georg Simmels Philosophie des Geldes, S. 113-142.
[21] Später versuchte Simmel sich jedoch von einem Pragmatismus zu distanzieren, da dieser „das Wesen der Wahrheit selbst“ (L 55) ungeklärt ließe. Ein Interpretation der Kontinuität des Simmelschen ‘Pragmatismus’ vertritt Horst Jürgen Helle: Soziologie und Erkenntnistheorie bei Georg Simmel, Darmstadt 1988, S. 60ff.
[22] „Die Wahrheit des Kunstwerkes bedeutet, daß es als Ganzes das Versprechen einlöst, das ein Teil seiner uns gleichsam freiwillig gegeben hat – und zwar jeder beliebige, da eben die Gegenseitigkeit des Sichentsprechens jedem einzelnen die Qualität der Wahrheit verschafft“ (PhG 105). Vgl dazu auch Felicitas Dörr: Die Kunst als Gegenstand der Kulturanalyse im Werk Georg Simmels, Berlin 1993; Barbara Smittmans-Vajda: Die Bedeutung der Bildenden Kunst in der Philosophie Georg Simmels, Diss. Tübingen 1994.
[23] Vgl. K.P. Biesenbach: Subjektivität ohne Substanz. Georg Simmels Individualitätsbegriff als produktive Wendung einer theoretischen Ernüchterung, Frankfurt a.M./Bern/New York/Paris 1988.
[24] „So wenig zwischen dem Subjekt und der ‘objektiven Kultur’ stets Eintracht herrschen kann, so begreift es doch jenes nie ohne die Bezogenheit auf diese.“ Vgl. Michael Landmann: ‘Konflikt und Tragödie. Zur Philosophie Georg Simmels’, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 6 (1951/52), S. 115-133, hier: 116f.; ders.: ‘Georg Simmel als Prügelknabe’, in: Philosophische Rundschau 14 (1967), S. 258-274.
[25] Vgl. Simmels Essays ‘Begriff und Tragödie der Kultur’ und ‘Der Konflikt der modernen Kultur’, in: IG 116-147 bzw. 148-173.
[26] Simmel: Hauptprobleme der Philosophie, S. 11.